Syl Glavion vermisst Informationen zu den
Kunstwerken (oben).

Werner Wagner hält die Bratwurst-Installation
(Sex auf Kraut) für weniger gelungen.
Fotos: Peter Romir

Nürnberger Stadtanzeiger Süd vom 01.08.07

Was Südstädter über die Haltestelle Kunst denken – Viel Lob und wenig Kritik

Haltestelle Kunst: Nachdem die Skulpturen in der Südstadt durch mutwillige Zerstörungen zuerst vor allem traurige Schlagzeilen machten, lockt der Kunstweg nun immer mehr Leute zum Bummeln, Schauen und Rätseln. Auch der Stadtanzeiger folgte den gelben Fußspuren durch die Südstadt und fragte Anwohner und Passanten, was sie von der Kunstaktion im Stadtteil halten.

Mit kritischem Blick gehen Elfriede und ihr Mann entlang der mit gelben Füßen markierten Route der „Haltestelle Kunst“ und ordnen die hier aufgestellten Werke ein: „Es ist schön, wenn man versteht, was es sein soll, wie etwa bei dieser Feuersäule von Mirko Siakko-Flodin hier“, urteilt das Ehepaar aus der Südstadt. „Aber anderes hätten sie sich auch sparen können“ – sie deuten auf die abstrakte Betonstahlskulptur von Dan Richter-Levin: „Das is einfach a gaglichs Zeigl. Da weiß man gar nicht, was es sein soll.“

Wer Erklärungen sucht hat es nicht immer leicht – auch im Südstadtpark stehen zwei mit der Bewachung der Kunstwerke beauftragten Menschen … „Ob da jetzt was fehlt, oder ob das so gehört – keine Ahnung. Da müssen wir selber mal in der Bretterbude am Aufseßplatz fragen.“ Doch die hat zu.

Dem zehnjährigen Michael gefällt die Skulpturenausstellung auch ohne Erklärung: „Ich find’s gut, dass hier die Kunst-Sachen rumstehen. Am besten gefällt mir das bunte mit den Scheiben zum durchgucken (die Weltenbrille von Georg Mayerhanser). Insgesamt ist das alles mehr zum Anschauen als zum Spielen – auch wenn bei einem Spielzeugautos dabei sind. Wenn jemand die Kunstwerke kaputt macht, finde ich das nicht gut. Aber ich weiß auch nicht, was man dagegen machen kann.

Auch der 60-jährige Werner Wagner ist auf dem Aufseßplatz unterwegs – wenn auch nicht in erster Linie wegen … ja selbst Künstler – Schriftenmaler. Ich kann über ein dutzend Schriftarten in Spiegelschrift schreiben. Aber immer weniger Leute verwenden handgemalte Schriften, obwohl sie viele Vorteile haben, etwa haltbarer und persönlicher sind. Deshalb kann ich nicht mehr davon leben und sammle jetzt Pfandflaschen. Damit verdiene ich mindestens acht Euro am Tag. Die Kunstwerke sind mir eigentlich egal.“

Bis auf eines: Das große Bratwurstherz von Angelika Reinecke: „Da steht nämlich auf der Rückseite „SEX AUF KRAUT“. Kunst hin oder her – das ist falsch! Das müsste eigentlich „SECHS MIT KRAUT“ heißen. Denn am Anfang stand das neben der Imbissbude. Und da haben sich die Damen dort total geschämt, weil es durch die Schrift so aussah, als gäbe es hier käufliche Liebe. Aber dann haben wir uns an die Stadt gewandt und die haben das Kunstwerk weiter weg vom Imbissstand gestellt.“

Manche Kunstwerke haben dagegen unerwartete praktische Vorteile – zum Beispiel die Skulptur „Auf verschlungenen Wegen“ von Remo Leghissa, die direkt bei der Hof-Einfahrt von Radio Z am Kopernikusplatz steht: „Hier wurde sonst immer wild geparkt. Seit dieses spannende moderne Werk da steht geht das nicht mehr!“, lacht Syl Glawion vom Vorstand des Alternativsenders und langjährige Südstadtbewohnerin.

„Ich habe mich total gefreut, dass Kunst in die Südstadt gebracht wird. Denn die Leute hier sind etwas anders – die meisten würden nie in ein Museum gehen. Es wäre nur schön, wenn man etwas mehr über die Hintergründe zu den Werken erfahren würde, etwa durch eine ausführliche Infotafel. Dann würden es die Leute vielleicht auch besser annehmen.

Mich wundert es nicht, dass es Zerstörungen gab, aber es ärgert mich, dass gleich wieder von islamischen Fundamentalisten die Rede war – das können genauso gut Kinder gewesen sein.“ Für ihren Sender ist die Kunstaktion natürlich auch ein Thema: „Das nächste Mal berichten wir am Mittwoch … zin Stoffwexl zwischen 16 und 18 Uhr über die Haltestelle Kunst.“ Syls persönliches Lieblingskunstwerk ist übrigens nicht die autoscheuchende Metallschlange von Leghissa, sondern die afrikanisch anmutenden Frauen mit den dicken Bäuchen von Ingrid Dickschat-Lorenz!“

Die stehen ein paar Meter weiter südlich genau vor dem kleinen Buchladen von Steffen Beutel am Kopernikusplatz: „Ich finde das eine gelungene Aktion“, meint dieser. „Ich seh das ja immer von meinem Fenster aus: Die Leute bleiben wirklich stehen und schauen sich die Sachen an. Ich hab auch nur positive Reaktionen gehört – Die Kunst belebt das Viertel und macht es spannender.

Dass einer über die Werke gemeckert hat, hab ich bisher nicht erlebt. Deswegen finde ich auch, dass man die Vandalismus-Vorfälle nicht so an die große Glocke hängen sollte: Zerstörungen gibt es überall, das ist nicht typisch Südstadt. Ich glaube, die Leute werden die Kunstwerke vermissen, wenn sie weg sind.“